Kritische Dialektik und Transzendentalontologie: der Ausgang des Neukantianismus und die post-neukantianische Systematik R. Hönigswalds, W. Cramers, B. Bauchs, H. Wagners, R. Reiningers und E. Heintels [Book Review]

Bonn: Bouvier (1995)
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Abstract

Da gegenwärtig kein allgemeinverbindlicher Begriff des ‚Neukantianismus‘ oder gar der ‚Transzendentalphilosophie‘ zur Verfügung steht und somit unter heutigen Bedingungen nicht aufs Geratewohl eine Geschichte der transzendentalsystematischen Bemühungen des 20. Jahrhunderts verfaßt werden kann, lag es nahe, sich diesem Thema anhand einer Analyse der Diskussionen zu nähern, in denen sich die sogenannte Selbstauflösung des Neukantianismus dokumentiert. Im Zuge dieser Annäherung war insbesondere an Siegfried Marcks zweibändiges Werk über DIE DIALEKTIK IN DER PHILOSOPHIE DER GEGENWART (Tübingen 1929/31) anzuknüpfen, das die transzendentalphilosophische Diskussion der 20er Jahre unter dem Aspekt einer „kritischen Dialektik“ zusammenfaßt; einer kritischen Dialektik, die sich aufgrund der Ablehnung der neukantianischen „Konstruktion eines idealen Subjekts“ und der darum nunmehr verstärkten Einsicht in die „Spannung zwischen dem existierenden Subjekte und dem Geltungsbereich“ ausgeformt habe und als das verbindende Motiv in „Jonas Cohns Theorie der Dialektik, R. Höngswalds Denkpsychologie, Br. Bauchs Ideenlehre, P. Natorps Lehre vom Grenzdenken, N. Hartmanns Aporetik, E. Cassirers philosophische[r] ‚Anthropologie‘, Max Adlers neukantische[m] Marxismus“ anzusehen sei (S. Marck [1929], S. III). Wie allein schon der Hinweis auf „N[icolai] Hartmanns Aporetik“ zeigt, geht diese,Hegel-Renaissance in der deutschen Philosophie‘ (H. Levy) auch Hand in Hand mit einer Ontologisierung der Transzendentalphilosophie. Dieser Transzendentalontologie, die sich - teils in dialektischem Einverständnis mit und teils in antidialektischem Gegensatz zur ‚Hegel-Renaissance‘ - mit einer nach den unterschiedlichsten Richtungen hin wirksamen ‚Leibniz-Renaissance‘ verband, war im Titel der vorliegenden Untersuchung um so mehr Rechnung zu tragen, als das ontologische Motiv (vorallem unter dem Eindruck der Hartmannschen Neo-Ontologie und der Heideggerschen Existentialontologie) in den transzendentalsystematischen Arbeiten der Nachkriegszeit eindeutig in den Vordergrund tritt. Der Titel KRITISCHE DIALEKTIK UND TRANSZENDENTALONTOLOGIE steckt daher sowohl den inhaltlichen wie auch den zeitlichen Rahmen der Untersuchung ab: ihr Thema sind die post-neukantianischen Systembildungen, die in Auseinandersetzung mit den dominierenden Philosophemen der Zwischen- und Nachkriegszeit (der Neo-Ontologie und der Lebens- und Existenzphilosophie) am transzendentalen Ansatz und Systemanspruch festhielten, indem sie den überzeitlichen Geltungsanspruch der Idee und die innerzeitliche Existenz ‚dialektisch‘ oder ‚monadologisch‘ zu vermitteln suchten. Nachdem aus transzendentalsystematischer Sicht das Ringen um eben diese Vermittlungsproblematik ohnehin die gesamte abendländische Philosophiegeschichte ‚seit Parmenides und Platon‘ beherrscht, sagt diese Eingrenzung der Thematik allerdings mehr über das Selbstverständnis der Systemdenker aus, als sie zu deren philosophiegeschichtlicher Positionierung beiträgt. Man kommt daher dem Eigentümlichen der post-neukantianischen Systembildungen näher, wenn man – ihre Differenz zum Neukantianismus hervorhebend – betont, daß sie sich aufgrund der Ablehnung der neukantianischen „Konstruktion eines idealen Subjekts“ (S. Marck) dem Problem der ‚Konkretisierung der Transzendentalität‘ (Erich Heintel) oder einer ‚Philosophie der konkreten Subjektivität‘ (Hans Wagner) stellen. Da man die Phänomenologie Husserls und die Philosophische Anthropologie in gleicher Weise charakterisieren kann, muß diese Problemstellung in unserem Zusammenhang freilich nicht so sehr als Verabschiedung, sondern als Weiterführung neukantianischer Traditionen verstanden werden; da der Versuch einer Rekonstruktion der neukantianischen Theoriestränge, die sich gegenüber den lebensphilosophischen, ontologischen und positivistischen Zersetzungen des kritizistischen Ansatzes resistent erwiesen, zur Revision einiger gängiger Vorurteile bezüglich des Neukantianismus zwingt, wird im Zuge der einleitenden Analyse der sogenannten Selbstauflösung des Neukantianismus aber auch der Begriff ‚Neukantianismus‘ selbst in grundsätzlicher Weise zu bestimmen sein. Diese Begriffsbestimmung liefert das gesuchte Kriterium für die systematische Eingrenzung der Thematik und somit für die Auswahl der Repräsentanten der Kritischen Dialektik und Transzendentalontologie, deren philosophische Bemühungen in der Folge dokumentiert sind. Durchaus in Verbindung und Übereinstimmung mit diesen systematischen Erwägungen war für die nähere Auseinandersetzung mit Richard Hönigswald und Wolfgang Cramer, Bruno Bauch und Hans Wagner, sowie mit Robert Reininger und Erich Heintel, nicht zuletzt der Umstand maßgeblich, daß ihre Arbeiten eine für die Philosophie des 20. Jahrhunderts bemerkenswerte Kontinuität transzendentalphilosophischer Ansätze demonstrieren und dennoch keineswegs die Beachtung gefunden haben, die sie im Interesse einer lebendigen Aneignung und kritischen Weiterführung der Transzendentalphilosophie verdienen. Die vorliegende Arbeit versucht vorallem diese Kontinuität transzendentalphilosophischer bzw. neukantianischer Ansätze herauszustellen und die aus der individuellen Problemsicht der genannten Autoren resultierende produktive Weiterbildung dieser Ansätze zu dokumentieren, indem sie jeweils monographisch die einzelnen Denkwege verfolgt.

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