Abstract
In der vorliegenden Arbeit geht es um Entscheidungsspielräume und Entscheidungsprozesse von hauptamtlichen Hospizmitarbeiterinnen und -mitarbeitern in ethisch relevanten Situationen. Wie sich diese Prozesse und Spielräume konkret in der Praxis gestalten, erforschten wir mittels einer qualitativen Studie, die wir in drei Hospizen in Nordrhein-Westfalen durchführten. Als ethische Haupthandlungsfelder nannten die befragten Pflegekräfte die Medikation in der präfinalen Phase, den Umgang mit terminaler Sedierung und mit der Flüssigkeitszufuhr und Ernährung am Lebensende. Entscheidungen innerhalb dieser Felder werden i. d. R. kollektiv getroffen. Die individuellen Entscheidungsspielräume der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen hauptsächlich den Pflegestil und das auf den Gast bezogene Zeitmanagement. Die Gestaltung dieser Entscheidungsspielräume hängt dabei häufig weniger von einem Rahmenkonzept ab, wie es Leitbilder oder Ethikkodizes nahelegen könnten, als vielmehr von einer Anspruchsanpassung der Pflegenden in der Praxis, wie es Modelle eingeschränkter Rationalität nahelegen. Damit übernehmen die Pflegekräfte in einem Hospiz eine sich selbst beratende wie korrigierende Funktion in ethischen Fragen, die angesichts des individuellen Sterbens eines Gastes immer wieder von Neuem ausgehandelt werden.