Buchstaben-Folgen: Schriftlichkeit, Wissenschaft und Heideggers Kritik an der Wissenschaftsideologie

Weilerswist: Velbrück Wissenschaft (2004)
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Abstract

Je weiter die Verwissenschaftlichung unserer Lebenswelt fortschreitet, desto dringender stellt sich die Frage nach dem Status und dem sinnvollen Umgang mit Wissenschaft. Buchstaben-Folgen rekonstruiert das Projekt abendländischer Wissenschaft vor dem Hintergrund der Differenz von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Die Reflexion auf das komplizierte Verhältnis zwischen gesprochener Sprache und Schrift sowie auf die entsprechenden - medial unterschiedlichen - Darstellungsformen von Wissen ermöglicht ein angemesseneres Verständnis der ambivalenten Rolle von Wissenschaft in unserer Kultur. Eine in ihrem Status und ihrer Reichweite mißverstandene Wissenschaft kann leicht zur Ideologie werden. Das Buch führt zwei Debatten zusammen, die bisher noch kaum verknüpft worden sind: die interdisziplinäre Debatte der 80er und 90er Jahre um die kulturellen Auswirkungen von Schrift und Schriftlichkeit einerseits und die von Heidegger wesentlich angestoßene und bis heute anhaltende philosophische Diskussion um Status und Reichweite wissenschaftlicher Weltdarstellungen andererseits. In einer doppelten - medienhistorischen und medien-phänomenologischen - Perspektive erläutert der Autor, welche praktischen Entstehungsbedingungen und welchen Status wissenschaftliche Aussagen als >verdauerte sprachliche Handlungen haben, was bestimmte Mißverständnisse von Wissenschaft sind und wie diese Mißverständnisse gerade durch die schriftliche Form der Wissensdarstellung evoziert werden. Der erste Teil des Buches zeigt im Anschluß an Arbeiten von Jan Assmann, Christian Stetter und anderen, wie die Erfindung und Verbreitung der Alphabetschrift in Griechenland die Ausprägung eines formalen Sprachumgangs, die Entstehung von formaler Logik und logisch-enzyklopädischer Wissenschaft als episteme zugleich ermöglicht und herausgefordert hat. Im zweiten Teil des Buches werden zentrale Texte Heideggers im Kontext schriftphilosophischer Überlegungen neu gedeutet. Heideggers kritische Diagnose, daß die Geburtsstunde der okzidentalen Wissenschaft zugleich die Geburtsstunde der abendländischen Wissenschaftsmetaphysik ist, wird verständlich, wenn man sie mit der unreflektierten konstitutiven Schriftlichkeit des Wissenschaftsprojektes in Zusammenhang bringt. Seinsvergessenheit wird im Kern als Schriftvergessenheit verstehbar. Die Darstellung bewegt sich in einem spannungsreichen Verhältnis zu den schriftphilosophischen Thesen von Jacques Derrida und dessen Projekt einer Grammatologie. Die explizite Auseinandersetzung mit Derridas extrem erweitertem Schriftbegriff und mit dessen Kritik am vermeintlichen Präsentismus Heideggers bilden das abschließende Kapitel von Buchstaben-Folgen. Rainer Totzke, geb. 1966. 1988-1955 Studium der Journalistik und Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig; 1995-2000 Promotionskolleg Ambivalenzen der Okzidentali-sierung.

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