Abstract
Wie sollen sich autonome Fahrzeuge verhalten, wenn ein Unfall nicht mehr abwendbar ist? Die Komplexität spezifischer moralischer Dilemmata, die in diesem Kontext auftreten können, lässt bewährte ethische Denktraditionen an ihre Grenzen stoßen. Dieser Aufsatz versteht sich als Versuch, neue Lösungsperspektiven mithilfe einer risikoethischen Sichtweise auf die Problematik zu eröffnen und auf diese Weise deren Relevanz für die Programmierung von ethischen Unfallalgorithmen aufzuzeigen. Im Zentrum steht dabei die Frage, welche Implikationen sich aus einer Auffassung von Dilemma-Situationen als risikoethische Verteilungsprobleme im Hinblick auf die Zulässigkeit von entsprechenden Risikoübertragungen ergeben. Dabei wird zunächst eine risikoethische Interpretation des zugrundeliegenden Entscheidungsproblems skizziert, welches durch seine dilemmatische Struktur eine besondere Risikokonstellation begründet. Ausgehend von den Positionen von Sven Ove Hansson und Julian Nida-Rümelin wird für einen deontologisch-risikoethischen Ansatz argumentiert, der auf Individualrechten einerseits und einer interpersonell gerechten Verteilung der entstehenden Schadensrisiken anderseits basiert. Diese beiden Kriterien werden für den Anwendungskontext des autonomen Fahrens konkretisiert. Zum einen wird in Bezug auf das erste Kriterium argumentiert, dass individuelle Rechte genau dann als angemessen gewahrt gelten können, wenn die resultierenden Risikoübertragungen auf die Einzelnen in ihrer absoluten Höhe jeweils zumutbar sind. Zum anderen werden Schwierigkeiten skizziert, die sich hinsichtlich der konkreten Umsetzung des zweiten Kriteriums der Verteilungsgerechtigkeit ergeben. In diesem Zusammenhang werden beispielsweise ethische Herausforderungen in Bezug auf einen möglichen Vorteilsausgleich, das Prinzip der Schadensminimierung sowie individuell unterschiedliche Ausgangsbedingungen der persönlichen Schadensreduktion kritisch in den Blick genommen.