Peter Schreiner, Stadt und Gesetz – Dorf und Brauch. _Versuch einer historischen Volkskunde von Byzanz: Methoden_, _Quellen_, _Gegenstände_, _Beispiele_. [Nachrichten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, I. Philologisch-historische Klasse, Jahrgang 2001, Nr. 9.] [Book Review]

Byzantinische Zeitschrift 96 (2):785-786 (2003)
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Abstract

Der Herausgeber der BZ gibt in jugendlichem Elan einen gewichtigen Anstoß, um endlich über das sechsbändige Quellenkompendium von Phaidon Kukules (1948–55) hinauszukommen, das freilich mehr einer enzyklopädischen Kultur- und Alltagsgeschichte gleichkommt und von den kulturhistorischen Konstellationen der Zwischenkriegszeit in Griechenland geprägt ist. Für die kulturhistorische Auswertung ekklesialer und profaner byzantinischen Quellen wäre vielleicht auch das «Dokimion» von K. Sathas zu nennen (1878) und noch manch andere ältere oder auch neuere Arbeit, die in Griechenland selbst veröffentlicht worden ist. Es sollte dem kulturhistorischen Verständnis heute aber nicht schwerfallen, zu akzeptieren, daß Kukules von «unseren byzantinischen Vorfahren» spricht, waren doch weite Teile der neugriechischen und «philhellenischen» Wissenschaft in ganz Europa (vor allem Deutschland) nach dem Fallmerayer-Schock bemüht, das Kontinuitätstheorem besser zu untermauern, dem immerhin die offizielle Staatsideologie aus heute einsichtigen politischen Gründen verpflichtet war, unter anderem eben auch die Historiographie und Volkskunde (vgl. G. Veloudis, «Jakob Philipp Fallmerayer und die Entstehung des neugriechischen Historismus», Südost-Forschungen 39, 1970, S. 43ff. und W. Puchner, «Ideologische Dominanten in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der griechischen Volkskultur im 19. Jahrhundert». Zeitschrift für Balkanologie 35/1, 1999, S. 46–62.). Schreiner's gewichtiger Anstoß ist vor allem ein Vorschlag und ein Versuch, eine historische Volkskunde von Byzanz methodisch auf die Beine zu stellen, ist doch die Kultur, die sich in den Quellen niederschlägt und von der Forschung behandelt wird, vorwiegend eine Elitekultur, die kaum ein Prozent der Reichsbevölkerung betrifft. Aber mit der Quellensituation beginnen auch die Schwierigkeiten: wo endet das Byzantinische Reich (Misch- und Randkulturen) und wer ist das «Volk» dieser Volkskunde? Aus der eher profillosen Bevölkerungsmasse (ein Produkt der Quellen) hebt sich nur die Hofkultur und die monastische und ekklesiale Kultur ab; deutliche Standes- und Klassengrenzen sind nicht auszumachen, eine eigene Stadtkultur beschränkt sich auf Konstantinopel und ist in anderen Städten erst spät nachzuweisen bzw. wird von der osmanischen Landnahme im Keim erstickt. Schreiner macht sich einige Grundgedanken der rezenten Volkskunde und Kulturtheorie zu eigen, die die Alltagskultur als Grundlage ihres Forschungsgegenstandes betrachtet, nachdem das «Volk» der traditionellen Volkskunde sich schon lange in die Museen zurückgezogen hat. Somit geht es um die Dokumentation der Alltagkultur von Mittel- und Unterschichten, wobei auch die Elite duchaus miteinbezogen wird, da sich ihr Alltag kaum unterschiedlich gestaltet.

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