Abstract
This paper deals with the importance of Fichte’s first visit at the Stift of Tübingen on his philosophical development, ultimately leading to the formulation of the outlines of his wl 1794/5. This paper aims to show that Fichte had been forced to his criticism of Reinhold and than that of Kant by arguments addressed by the Tübingen professor Johann Friedrich Flatt. Therefore, Fichte’s own presentation of his philosophical awakening, attributed to the influence of his Aenesidemus-reading seems to be a skilful retouching of the historical facts. If the presented hypothesis can take some plausibility it opens an interesting perspective on the development of post-Kantian philosophy, as Flatt’s criticism of Reinhold and Kant was not only of importance for Fichte, but also for Hegel and Schelling, albeit denied by all of them.In diesem Beitrag soll gezeigt werden, dass Fichte zu seiner Kant- und Reinhold-Kritik und damit letztendlich auch zu den ersten Schritten auf dem Wege zu seiner eigenen philosophischen Position – ausmündend in die wl von 1794 – auch durch die Kritik Johann Friedrich Flatts an Kant und Reinhold genötigt wurde. Die spätere Darstellung seiner Anfänge durch Fichte selbst, die dem Einfluss der Aenesidemus-Lektüre für seine philosophische Entwicklung die größte Wirksamkeit zuschrieb, könnte unter diesem Aspekt als eine geschickte Retouche der historischen Tatsachen bewertet werden, auf die es in diesem Beitrag geht. Kann die hier aufgestellte Hypothese einige Plausibilität für sich beanspruchen, eröffnet sich eine interessante Perspektive auf die weitere Ausbildung der nachkantischen Philosophie, sofern Flatts Kant- und Reinhold-Kritik nicht nur für Fichte, sondern auch für Hegel und Schelling einen wichtigen – wenn auch von ihnen verleugneten – Stellenwert hatte.