Abstract
Johann Friedrich Herbart bringt ein wissenschaftliches Verständnis von Philosophie auf, das sich prägend auf den Aufbau seines Systems sowie auf die Begründung von Psychologie, Ästhetik, Pädagogik und deren gegenseitige Beziehungen auswirkt.
Ausgehend von neuen funktionalistischen Interpretationen seiner Philosophie wird gezeigt, wie durch eine relationale Methodologie eine pluralistische Wissenschaftsauffassung ermöglicht wird, welche einerseits die selbständige Entwicklung einzelner Disziplinen rechtfertigt, andererseits deren formalen Zusammenhang nachweist.
Der systematische Bezug der Pädagogik wird aus Sicht der Philosophie festgelegt. Hinsichtlich ihrer Möglichkeit, Begründung und wissenschaftlichen Verortung wird die Pädagogik auf der Basis einer kritischen Auseinandersetzung mit Herbarts Metaphysik und Ästhetik exakt bestimmt.
Herbart behauptet die Abhängigkeit der Pädagogik von Psychologie (als angewandter Metaphysik) und praktischer Philosophie (der Ästhetik beigeordnet), welche er einmal als die dunkle und die helle Seite der Pädagogik bezeichnet. Psychologie liefert die Mittel, praktische Philosophie den Zweck der Erziehung: die Tugend. Das gegenseitige Verhältnis dieser beiden Disziplinen, die Herbart wissenschaftlich neu begründet, gilt vorab aufzuklären, soll doch der notwendige psychische Mechanismus Bildsamkeit, Freiheit und Einsicht tragen.
Durch seinen funktionalistischen Ansatz untermauert Herbart eine relationale Erklärung von Bewusstsein und Ichheit sowie einen konkreten ästhetischen Formalismus. Nicht nur hilft er auf diese Weise der Lehre der Seelenvermögen ab, sondern er schafft auch die philosophischen Bedingungen des Erziehens und einer autonomen Pädagogik. Hiermit ist der wissenschaftliche Ort der Pädagogik bestimmt.