Fuchs, Du hast das Gelb gestohlen. Versuch über Goethes diebische Variation eines Experiments von Newton

In Katalog zur Ausstellung experiment farbe. Dornach: pp. 38-53 (2010)
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Abstract

Newton fächert einen weißen Lichtstrahl durch prismatische Brechung (Refraktion) auf und entdeckt dadurch sein Vollspektrum, das die größte Farbenvielfalt zeigt und aus Lichtstrahlen unterschiedlicher Refrangibilität besteht (1672). Laut Newtons Theorie müsste sich die Farbvielfalt seines Vollspektrums steigern lassen, wenn man den Auffangschirm immer weiter vom brechenden Prisma entfernt; denn dadurch müssten zuvor noch vermischte Lichtbündel ähnlicher Farbe schließlich doch auseinanderstreben. Diese Prognose ist empirisch falsch, wie Goethe in seiner Farbenlehre (1810) herausstreicht: Das Endspektrum enthält weniger Farben, insbesondere fehlt dort das Gelb. Das ist eine Anomalie (à la Kuhn) der newtonischen Theorie. Wie lässt sich diese Anomalie erklären? Der Gelbverlust im Endspektrum muss irgendetwas mit der Licht- und Farbempfindlichkeit des menschlichen Auges zu tun haben. Aber was? Der Bezold/Brücke-Effekt bietet offenbar keine befriedigende Erklärung des Phänomens, wie ich mit Matthias Rangs experimenteller Hilfe empirisch zeige. Ein zweiter Erklärungsansatz beruft sich auf die rot/grüne spektrale Umgebung, die das Gelb offenbar in den Hintergrund treten lässt. Die Farbwahrnehmung einer farbigen Figur hat ja immer auch mit der Umgebungsfarbe zu tun, wie zum Beispiel beim Simultankontrast. Das zeigt sich im Experiment: Man kann das Gelb im Endspektrum zurückgewinnen, wenn man die anderen Farben des Spektrums abdeckt. Woran das wiederum liegt, ist bis heute ungeklärt. Es lässt sich jedenfalls nicht als Spezialfall des Simultankontrasts verstehen.

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Olaf L. Müller
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