Abstract

In seiner WL nova methodo charakterisiert Fichte die Aufgabe der Transzendentalphilosophie wie folgt: »die Bedingungen des Bewußtseins nach den schon bekannten Regeln zusammen zu setzen, und das Bewußtsein vor unseren Augen zu construieren«. Dieses Zitat bringt das Herzstück der frühen Fichteschen WL zum Vorschein und vermag auch das Grundanliegen der GWL präzise zu charakterisieren. Die WL strebt nach der genetischen Einsicht des wirklichen Bewußtseins und kann daher nicht vom Bewußtsein ausgehen; sie muß hinter das Bewußtsein zurückgehen, um es vor unseren Augen konstruieren zu können. Fichtes Konzeption der produktiven Vernunft hat, wie im folgenden gezeigt werden soll, das Programm einer genetischen bzw. konstruktiven Deduktion des Bewußtseins erst möglich gemacht. Denn die von Fichte gedachten produktiven bzw. schlechthin setzenden Handlungen der Vernunft stellen ein systematisches Gefüge dar, aus dem eine vollständige Totalität von Produkten hervorgeht. Für die Genese des wirklichen Bewußtseins und Selbstbewußtseins erweist sich jener Wendepunkt als entscheidend, an dem die Produktion selbst den Charakter der Reflexion annimmt, nämlich der Reflexion auf ihre eigenen Produkte. Und weil die ursprüngliche Reflexion einer noch ursprünglicheren Produktion entspringt, hat sie selbst produktiven Charakter, ist sie re-produktiv; sie setzt gleichsam noch einmal, was bereits gesetzt ist. Die Reflexion bringt auf diese Weise neue Produkte mit sich, die das produzierend-reflektierende Ich zunächst ebenfalls nicht als seine eigenen Produkte erkennt, weshalb die Reflexion, wie gezeigt werden soll, eine ebenso ursprüngliche Projektion ist. Das systematische Wechselspiel von Reflexion und Projektion macht, ab einem gewissen Reflexionspunkte, Gegenstands- und Selbstbewußtsein für das Ich unterscheidbar und damit als solche erst möglich.