Abstract
1 Das Paradox des Regelfolgens Regeln im Sinne von Handlungsvorschriften setzen ihre Anwendbarkeit schon begrifflich voraus. Alle Regeln regeln mögliches Verhalten, seien es Verkehrsregeln, juridische Gesetze, mathematische und logische Verfahren, und selbst „Bedeutungs-postulate“, die festlegen, wie ein Ausdruck verständlich zu verwenden ist. Regeln ohne irgendeinen möglichen Anwendungsspielraum sind sinnlos. Dabei werden durch Regeln nicht nur mögliche Anwendungen präsupponiert, sondern umgekehrt aus gegebenen Tatsachen oder Ereignissen Regelmäßigkeiten herausgelesen, die sich in der Regel ausdrücken. Die Regel bezeichnet in diesem Sinne das „Prinzip hinter den Tatsachen“, das sie diesen freilich in gewisser Weise erst andichtet. Zweck dieses Vorgehens ist nicht zuletzt, die mögliche Fortsetzung der Tatsachenreihe gleichzeitig zu bestimmen und zu begründen, jedenfalls aber eine gewisse Ordnung, Rechtfertigung und Voraussagbarkeit des Handelns zu gewährleisten. Regelanwendung verlangt deshalb eine komplexe geistige Kompetenz, die nicht nur Fähigkeiten der Abstraktion und Reflexion, sondern auch Können und Erfahrung voraussetzt.