Oxytocin: Vom Geburts- zum Sozialhormon: Zur hormonellen Regierbarkeit von Soziabilität aka Gesellschaft

NTM Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin 26 (1):1-30 (2018)
  Copy   BIBTEX

Abstract

ZusammenfassungIn massenmedialen Darstellungen wird das Hormon Oxytocin gegenwärtig als biochemische Basis von Sozialität und wirkmächtiger neuropharmakologischer Lösungsansatz für die (Wieder‑)Herstellung der gesellschaftlichen Kohäsion verhandelt. Mit Blick auf die ursprüngliche Bedeutung des Hormons als „Körperhormon“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts soll im vorliegenden Artikel die außergewöhnliche Karriere von Oxytocin vom Regulator des Geburtsvorgangs hin zum Regulator der Gesellschaft nachgezeichnet werden. Woraus bezieht eine solch voraussetzungsvolle Behauptung ihre Intelligibilität und Akzeptabilität? Unsere Analyse des wissenschaftlichen Diskurses um Oxytocin (1906–1990), des massenmedialen Diskurses seit den 1990er Jahren sowie dessen Rückwirkungen auf den wissenschaftlichen Diskurs im gleichen Zeitraum verweist auf eine Serie von Re-Konfigurationen von wissenschaftlichen Theorien und Praktiken, sowie der Konzeption der Substanz an sich. Nachdem es sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts etabliert, wird Oxytocin bereits in den 1950er Jahren zum Neurohormon, findet in den folgenden Jahrzehnten jedoch kaum wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Erst im Zuge des massenmedialen Interesses für die postulierten Wirkungen des Hormons in Zusammenhang mit Liebe und Bindung gerät die Substanz zunehmend in den Fokus empirischer Forschung. Die Rezeption von Oxytocin als neurohormonelle Basis der individuellen Soziabilität speist sich zum einen aus dem massenmedialen Diskurs, zum anderen aus bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gemachten biopolitischen Verknüpfungen, die auf die Regulierung des Lebendigen abzielen, sowie aus einem technowissenschaftlichen Modus der Oxytocinforschung: an ihrem Schnittpunkt avanciert Oxytocin zum Sozialhormon, so unsere These.

Other Versions

original Steinbach, Xenia; Maasen, Sabine (2018) "Oxytocin: Vom Geburts- zum Sozialhormon". NTM Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin 26(1):1-30

Links

PhilArchive



    Upload a copy of this work     Papers currently archived: 99,322

External links

Setup an account with your affiliations in order to access resources via your University's proxy server

Through your library

Similar books and articles

Werke der Wissenschaft.Thomas Kater - 2020 - Zeitschrift für Ästhetik Und Allgemeine Kunstwissenschaft 65 (1):123-145.
Wirtschaftsethik im Lichte des Kritischen Rationalismus von Karl Popper.Harald Stelzer - 2019 - In Giuseppe Franco (ed.), Handbuch Karl Popper. Springer Fachmedien Wiesbaden. pp. 591-607.
Die alte Hoffnung auf den neuen Menschen: Variationen zum Denken des Neuen aus alttestamentlich-frühjüdischen Debatten.Jürgen van Oorschot - 2020 - Paragrana: Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie 29 (1):216-226.
Engziehungen durch Grenzziehungen.Christian Thein - 2023 - Zeitschrift für Praktische Philosophie 10 (1).

Analytics

Added to PP
2020-02-03

Downloads
17 (#1,043,352)

6 months
3 (#1,448,808)

Historical graph of downloads
How can I increase my downloads?

Citations of this work

No citations found.

Add more citations