Kants Verabschiedung der Vertragstheorie - Konsequenzen für eine Theorie sozialer Gerechtigkeit
Abstract
Characterizations of Kant's legal and political philosophy with regard to its affinity toward basic socio-political positions generally range between the two extremes of a social welfare state, on the one hand, and a libertarian laissez-faire state, on the other. The purpose of this article is to provide a three-tiered analysis showing that the issue of "social justice" is not raised at all within the narrower framework of Kant's legal philosophy, that instead Kant's legal philosophy is mainly neutral in the socio-political sense and that Kant makes a move toward imposing an obligation on the state to attain social equality only as an issue of ethics sensu stricto. Kant's indifference toward matters of social justice are considered in relation to his concept of human nature. Finally, the author discusses the need for adopting a theory of social justice, if necessary independently from Kantian premises. Die Einordnung der Kantischen Rechts- und Staatsphilosophie hinsichtlich ihrer Affinität zu sozialphilosophischen Grundpositionen schwankt gemeinhin zwischen der Zuordnung zu den extremen Positionen des Wohlfahrtsstaats einerseits und des liberalen Nachtwächterstaates andererseits. In einer dreistufigen Analyse wird herausgarbeitet, daß sich die Frage 'sozialer Gerechtigkeit' im engeren Rahmen der Kantischen Rechts-Philosophie gar nicht stellt, daß letztere vielmehr sozialpolitisch weitestgehend neutral ist und daß sich bei Kant überhaupt nur in der Ethik sensu stricto Ansätze einer staatlichen Verpflichtung zum sozialen Ausgleich zeigen. Die Kantische Indifferenz gegenüber Fragen sozialer Gerechtigkeit wird in Bezug gesetzt zu Kants Auffassung von der menschlichen Natur; und es wird zuletzt verwiesen auf die Notwendigkeit, eine Theorie sozialer Gerechtigkeit ggf. unabhängig von Kantischen Vorgaben zu entwickeln