Abstract
Während es im moralisch-politischen Diskurs geradezu unkontrovers ist, dass Toleranz eine eminent wichtige Rolle für ein friedliches Zusammenleben von Menschen in pluralistischen Gesellschaften spielt, ist es alles andere als klar, was Toleranz überhaupt ist. Insbesondere die häufig anzutreffende Auffassung, dass es ‚Paradoxien‘ der Toleranz gäbe, sowie die in der Literatur immer von Neuem auftauchende Vexierfrage, ob Toleranz auch den Feinden der Toleranz gelten kann oder muss, sind deutliche Anzeichen dafür, dass es kein stabiles Verständnis der Natur dieser Einstellung gibt. Das Problem ist nicht zuletzt ein methodologisches. Ich stelle zunächst einige Adäquatheitsbedingungen für eine Theorie der Toleranz auf, und argumentiere dann, dass eine Theorie der Toleranz als eine moralpsychologische Theorie vom normativen Begriff der Tolerierbarkeit frei zu halten ist. Nach der hier vorgeschlagenen Theorie besteht das Herzstück der Toleranz in einer verhaltenswirksamen Kontrolle moralischer Aversionen. Diese Theorie erfüllt die Adäquatheitsbedingungen für Theorien der Toleranz und wird von ihnen sogar erzwungen. Auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse, erläutere ich dann Sinn und Rechtfertigung der Toleranzforderung und skizziere ihren Ort innerhalb der Ethik