Abstract
Aus der Beobachtung, dass es für jedes organisierte Wesen einen Bestzustand gibt, den zu erreichen bzw. zu erhalten sein oberstes Interesse ist, und aus der durchgängigen teleologischen Ordnung der Welt gewinnt Shaftesbury, der Vater der Moral-Sense-Schule der Ethik, sowohl den Unterschied von Nutzen und Schaden als auch den Begriff einer natürlichen Güte, die darin besteht, dass sich ein jedes Wesen, gemäß der Ordnung der Natur, für das Wohlergehen anderer Wesen als nützlich erweist. Der Begriff eigentlicher, allein dem Menschen eigener Tugend ergibt sich dann aus den spezifischen Bedingungen menschlichen Handelns. Tugend besteht danach in der Disposition zu selbstlosem Handeln, das auf das Wohlergehen anderer gerichtet ist. Was uns leitet, wenn wir tugendhaft handeln, nennt Shaftesbury unseren Sinn für das Richtige und das Verkehrte und gelegentlich auch unseren natürlichen Moralsinn. – Bei Hutcheson rückt der Begriff des Moralsinns dann ins Zentrum der Theorie. Den Moralsinn versteht Hutcheson ausdrücklich als einen spezifischen Sinn, d. h. als die Disposition, auf bestimmte Gegebenheiten in spezifischer Weise zu reagieren. Tugendhaftes Handeln wird als selbstloses Handeln verstanden, das durch den Moralsinn auf das Wohlergehen anderer gerichtet ist. Gestützt auf das Konzept des Moralsinns, glaubte Hutcheson, einerseits den Rationalismus in der Ethik und andererseits den Hobbes zugeschriebenen Egoismus widerlegen zu können. – Nach Butler besteht Tugend darin, in Übereinstimmung mit der menschlichen Natur zu handeln. Diese These gewinnt Profil durch Butlers Konzeption der menschlichen Natur als eines Systems verschiedener Strebungen, Neigungen und Fähigkeiten, das durch das unser Handeln ständig begleitende Gewissen kohärent gehalten wird. Tugendhaftes Handeln besteht dann generell darin, zu tun, was das Gewissen fordert, verbietet oder erlaubt, und in einem spezielleren Sinn in selbstlosen Handlungen zum Wohle anderer. Alle drei Philosophen waren davon überzeugt, dass eine Disposition zur Moral Teil der menschlichen Natur ist. Sie sahen darin den Beleg für die Existenz einer ursprünglichen liebevollen Zuneigung zu unseren Mitmenschen und hielten deshalb den Hobbes zugeschriebenen Egoismus für falsch.