Abstract
Schopenhauer gilt als Vorreiter oder erster Vertreter der Lebensphilosophie, wie sie später von Dilthey, Nietzsche, Bergson und anderen entfaltet wurde. Im Unterschied zur klassischen Lebensphilosophie und zu den an sie anknüpfenden ethischen Entwürfen wird das Leben bei Schopenhauer aber nicht als Zweck betrachtet, sondern als Mittel zu einem anderen Zweck, nämlich für die Ethik, die in der Verneinung des Willens zum Leben gipfelt. Schon in den frühesten handschriftlichen Aufzeichnungen verwendet Schopenhauer verschiedene Metaphern, um das Leben als Medium der ethischen Erkenntnis zu charakterisieren. Besonders häufig tritt dabei das Bild vom Leben als Spiegel auf, in dem der Mensch sein eigenes Wesen und damit auch das Wesen der Welt erblickt. Im Hauptwerk wird dann dieses Bild vom Begriff der Objektivation des Willens abgelöst. Insofern die höchste und deutlichste Objektivation des Willens der Lebenslauf des menschlichen Individuums darstellt, ist Schopenhauers Lebensbegriff eng mit seiner Charakterlehre verknüpft. In dem Beitrag wird das verwickelte Verhältnis von Leben, Erkennen und Ethik vor dem Hintergrund der proto-hermeneutischen Metaphysikkonzeption Schopenhauers anhand der Entwicklung der Spiegelmetapher betrachtet. Schopenhauer is said to be precursor or first exponent of the philosophy of life as it has been developed later on by Dilthey, Nietzsche, Bergson and others. However, in contrast to classical philosophy of life and to the ethical conceptions going back to it, in Schopenhauer life is not viewed as an end but as a means to another end, namely to the ethics which culminates in the denial of the will-to-live. Already in the earliest hand-written manuscripts Schopenhauer uses different metaphors in order to characterize life as a medium of ethical knowledge. In particular the image of life as a mirror in which a human being sees his own nature and thus realizes the essence of the world often occurs. In the mature work this image is replaced by the concept of objectivation of will. As far as the highest and clearest objectivation of will is the life story of a human individual Schopenhauer’s concept of life is bound up with his theory of character. In my essay I consider the complicated relationship between life, knowledge and ethics in Schopenhauer on the background of his proto-hermeneutic metaphysics by following the development of his use of the mirror-metaphor