Abstract
Fichtes Konzeption vom »Schweben der Einbildungskraft« ist in der Ästhetik der Romantik aufgegriffen und zu einer zentralen Denkfigur geworden. Auch die Philosophie Karl Wilhelm Ferdinand Solgers, des Nachfolgers Fichtes auf dem Lehrstuhl in Berlin, pflegt in die Romantische Ästhetik im Gefolge Friedrich Schlegels eingeordnet zu werden, gerade auch im Hinblick auf die Bedeutung der Einbildungskraft. Um so überraschender ist dann aber die Tatsache, dass die Einbildungskraft für Solgers Ästhetik, anders als etwa bei Schlegel und Novalis, gar keine Rolle spielt. Sie gehört zu den »gemeinen Erkenntnisarten« und wird der Phantasie, die die Form der »höheren Erkenntnis« ist, entgegengesetzt. Die »Einbildungskraft [ist] an die sinnliche Wahrnehmung geheftet und vom Triebe ganz bestimmt, die Phantasie aber führt das göttliche Wesen in die Erscheinung über«. Nun spricht Solger häufig in diesem Sinne von der »gemeinen Einbildungskraft«, und man könnte meinen, dass es hier nur um eine Frage der Benennung gehe, indem die produktive Einbildungskraft bei ihm den Namen Phantasie erhält, während er die Bezeichnung,Einbildungskraft’ für die reproduktive Einbildungskraft reserviert, wofür der Zusatz »gemeine« steht. Auch wenn dem so wäre - die Frage, ob es sich so verhält, soll noch untersucht werden –, so muss es doch einen Grund geben, warum Solger sich von der Tradition abkehrt und einen in ihr bewährten Begriff ersetzt.