Abstract
Demographischer Wandel und medizinischer Fortschritt haben zur Folge, dass immer mehr Patienten außerstande sind, selbstbestimmt über eine medizinische Behandlung zu entscheiden. Dann sind andere gefordert, unter Berücksichtigung von Wohl und Willen des Patienten stellvertretend zu entscheiden. Dabei bieten sich drei Entscheidungskriterien an: Paternalismus, substitutive Autonomie (mutmaßlicher Wille) und prospektive Autonomie (vorausverfügter Wille). Keines dieser Kriterien garantiert für sich genommen eine optimale Entscheidung. Realistisch ist nur ein integratives Modell, das diese Kriterien pragmatisch verbindet. Je klarer im Einzelfall die Evidenz für den autonomen Patientenwillen ist, desto mehr Gewicht sollte ihm eingeräumt werden. Dabei lassen sich konkrete Schritte benennen, wie die Evidenz für eine autonome Willensbekundung beurteilt werden kann. Obgleich stellvertretende Entscheidungen in der medizinischen Praxis oft von Ärzten, professionellen Betreuern und Richtern getroffen werden, gibt es überzeugende Gründe für die These, dass der nächste Angehörige am besten geeignet ist, prima facie als stellvertretender Entscheidungsträger zu fungieren