»Ich ist Nicht-Ich« = »Alles ist Alles«. Goethe als Leser der Wissenschaftslehre

Fichte-Studien 19:55-94 (2002)
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Abstract

Ende des Sommers 1818, während seines Aufenthalts in München, trifft Victor Cousin Schelling und läßt sich Fichtes Leben in Jena für seine Fragments philosophiques schildern. Der Philosoph wird als »le plus sincère, le plus vertueux, mais aussi le plus obstiné des hommes« charakterisiert. Er stellt ihn dann Goethe gegenüber, damals Geheimrat des Großherzogs Karl-August von Sachsen-Weimar: »Jamais deux hommes ne se convinrent moins que le grand poète et le grand philosophe«, sagt Cousin. Und die Gründe für diese Urteile sind mannigfaltig. Wenn einerseits Fichte in Jena als Verfasser des Beitrags zur Berichtigung der Urtheile des Publikums über die französische Revolution auch erkannt worden war und - obwohl er jede auffälligen Äußerungen zu vermeiden suchte - er auch kein Geheimnis aus seinen demokratischen Überzeugungen machte, hatte sich andererseits Goethe sowohl in seinen Werken als auch in seiner politischen Tätigkeit immer gegen jede gewalttätige Revolution erklärt, die danach strebte, die angestammte Obrigkeit zu vernichten. Diese seine Haltung entspringt unmittelbar Goethes Idee, daß die Natur - und mit ihr die Geschichte - im Grunde eher der Ort ununterbrochener und langsamer Metamorphosen als unvorhersehbarer Brüche sei. Hier wirkt das gleiche Motiv, daß sich Wilhelm Meister von einem angehenden Schauspieler durch Einfluß einer geheimen Gesellschaft auch seelisch zu einem Arzt wandeln läßt, und es ist im Grunde auch das Gleiche, wenn Goethe in der Geologie den Neptunismus Werners dem Vulkanismus vorzieht. Der Vielseitigkeit der Interessen eines Goethe, der gleichsam Dichter und Naturforscher, Minister und Weltmann war, steht die Gestalt eines Fichtes gegenüber, der sein ganzes Leben der monolithischen Konstruktion der philosophischen Wissenschaftslehre gewidmet hat. Aber auch philosophisch trennt sie ein Abgrund zutiefst

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