Abstract
Die naive Idee des wissenschaftlichen Fortschritts beruht auf der irrtümlichen Annahme, daß es absolute Tatsachen und Grundsätze gibt, auf denen aufbauend die Wissenschaft ein ständig verbessertes Bild der Wirklichkeit liefert und sich mehr und mehr einer absoluten Wahrheit nähert. Im Gegensatz dazu wird gezeigt, daß wissenschaftliche Tatsachen und Grundsätze nur innerhalb der Interpretationsschemata von "Systemmengen" vermittelt werden können, von denen die jeweiligen "historischen Situationen" bestimmt werden. Die Entwicklung der Wissenschaften wird durch Unstimmigkeiten innerhalb solcher Systemmengen und durch den darin begründeten Wandel hervorgerufen. Dabei liegt ein historischer Relativismus bloßer Fatalität oder Willkür nicht vor, weil nicht nur Kriterien für die Wahrheit von Aussagen innerhalb von Systemen logisch, sondern weil auch die Systeme selbst samt ihren Veränderungen, und zwar situationslogisch begründet werden können. Ist nun Wissenschaftsgeschichte "Systemgeschichte", so kommen nur zwei Bewegungsformen in Frage, in denen Fortschritte erzielt werden können: Nämlich erstens "Systemexplikation" und zweitens "Systemmutation". Entsprechend ist ein Fortschritt I von einem Fortschritt II zu unterscheiden. Beide werden mit Hilfe des Begriffs "Harmonisierung einer Systemmenge" genauer definiert