Abstract
Ein Topos in institutionellen Stellungnahmen zu „Genome Editing am Menschen“ ist die Forderung nach einem Moratorium. Dieses soll einerseits dazu dienen, zu einer angemessenen Risikoabklärung zu gelangen, und andererseits einer gesellschaftlichen und ethischen Diskussion hinreichend Raum zu geben, um zu entscheiden, ob die vom Moratorium betroffenen Eingriffe überhaupt grundsätzlich erwünscht sind. Dabei scheint das Moratorium eine kompromisshafte Lösung zu sein, auf die sich die Mitglieder in weltanschaulich pluralen Ethikgremien verständigen können. Die Analyse der zu Genome Editing in den Jahren 2015 bis 2018 verfassten Stellungnahmen zeigt jedoch ein deutlich komplexeres Bild: Was als konsensuale Kompromissformel erscheint, stellt sich als vielfach konflikthaftes Lösungsmodell dar. Umstritten ist in den unterschiedlichen Moratoriumsmodellen der Umfang (was alles ist vom Moratorium betroffen?), die Dauer (gibt es ein konkretes Datum, bis zu dem das Moratorium gilt?), der Zweck (dient es bloß der Risikoabschätzung oder auch der ethischen und/oder gesamtgesellschaftlichen Diskussion?) und die Frage, was für eine Maßnahme am Ende des Moratoriums getroffen werden soll. Zudem ist zwischen impliziten und expliziten Moratorien zu unterscheiden und zu untersuchen, was mit dem Moratoriumsvorschlag jeweils nicht verursacht werden soll (zum Beispiel die Grundlagenforschung einschränken). Am Ende der ethischen Analyse zeigt sich, dass mit klarer bestimmten Moratoriumsforderungen ein stärkeres Bewusstsein des Aufschub-Charakters dieser spezifischen Empfehlung einhergeht. So lässt sich auch das Ethos der Verantwortlichkeit – gegenüber jetzt Lebenden sowie künftigen Generationen – besser realisieren.