Willensfreiheit und Determinismus. Zum anthropologischen Ansatz Ernst Tugendhats
Abstract
Tugendhats Versuch, die Möglichkeit einer freien Handlung des Menschen in einer als deterministisch angenommenen Natur aufzuzeigen, war von Anbeginn zum Scheitern verurteilt. Denn ein kausaler Naturmechanismus lässt per definitionem zu jedem Zeitpunkt nur ein einziges reales Ereignis zu, dessen Ursache Natur und nicht der freie Mensch ist. Unter dieser Voraussetzung kann die gefühlte und im Moralurteil vorausgesetzte Wahlfreiheit des Menschen, hier und jetzt A und nicht-A tun zu können, nur noch als, wenn auch unvermeidlicher, moralischer Schein, der trügt, in den Blick treten. Tugendhat spürt diese Konsequenz und gerät in den nihilistischen Sog eines Denkens, das aus ,,intellektueller Redlichkeit" nicht mehr an seine Verantwortlichkeit glauben kann. Ich zeichne diesen für das Individuum ,Mensch' verheerenden psychologischen Prozess in groben Zügen nach. Erst in einer Prinzipienreflexion, so meine These gegen Tugendhats Ansatz: ,,Anthropologie statt Metaphysik", werden die Einschränkungen einer wesenhaft nichtkausalen Natur als Möglichkeitsbedingung der Freiheit des Menschen, der im Text dieser Welt allein die auf endliche Weise sich selbst erwirkende Ur-Sache ,Grund' ist, evident