Abstract
Leibniz war der Ansicht, daß die Summe einer Reihe der wirklichen Zusammenfassung aller aktualunendlich vielen Reihenglieder gleich sei. Obgleich der Grenzprozeß ein Hilfsmittel zur Berechnung der Summe war, konnte die Summe erst mit dem letzten Glied der Reihe erreicht werden. Letzte Glieder wurden, ebenso wie Infinitesimalien, unendlich große Zahlen und komplexe Zahlen, als Fiktion konzipiert. Diese fiktiven Größen waren fest auf die Realitat gegriindet und dienten dazu, den Gedankengang abzukürzen: Ihr Gebrauch erlaubte es Leibniz, bestimmte Reihen zu summieren und ein beriihmtes Konvergenzkriterium fur alternierende Reihen zu beweisen. Leibniz' Theorie der Potenzreihen entstand in einem geometrischen Kontext: Die Entwicklung einer geometrischen Größe besaß bestimmte Besonderheiten in bezug auf die moderne Entwicklung einer Funktion. Die Aufmerksamkeit war darauf konzentriert, die Koeffizienten der Entwicklung zu finden, ohne Rücksicht auf die Konvergenz; wenn die Entwicklung bestimmt wurde, paßte man sie dem spezifischen geometrischen Problem an. Dies führte zu einem gewissen Formalismus von Leibniz' Gebrauch von Reihen, aber dieser Formalismus wurde gewöhnlich durch die Unmittelbarkeit der zeichnerischen Darstellung des geometrischen Sachverhalts verdeckt. Erst als die geometrischen Fragen durch symbolische Darstellungen ohne Verweis auf Abbildungen untersucht wurden, zeigte sich die kombinatorische Natur der Reihenentwicklungen. Trotzdem war der typische Formalismus des 18. Jahrhunderts immer noch weit entfernt von Leibniz' Vorgehen. Dies zeigt sich auch an Leibniz' Versuch, der Aussage 1-1+1-1+...=1/2 einen Sinn zu geben