Abstract
Der Artikel untersucht das Verhältnis von Erkenntnis und Liebe bei Hans Urs von Balthasar. Die Liebe ist für ihn kein selbstbezogenes Streben nach dem, was man nicht besitzt, wie das Streben zur Fülle des Seins im griechischen bzw. zum Nichtsein im indischen Denken, sondern selbstlose Hingabe, etwa im Sinn eines innertrinitarischen Verschenkens des eigenen Seins, einer Herablassung Gottes zum Geschöpf in Schöpfung und Erlösung oder als ein reines Sein-für-das-Sein-des-Erkenntnis- gegenstandes im menschlichen Erkenntnisakt. Die Liebe ist zudem kein Moment der Erkenntnis, sondern die Erkenntnis als von der Liebe umfaßt zu verstehen. Liebe aber zielt letztlich immer auf den singulären Gegenstand in seiner Singularität, womit sich die Bewegungsumkehr insbesondere als eine Umkehr der indischen Abwendung vom Individuellen bzw. des griechisch-antiken Aufstiegs vom Besonderen zum Allgemeinen erweist.