Abstract
Einleitung: zur Aktualität Natorps Daß an Tiefe und Scharfsinn die deutsche akademische Philosophie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts der heutigen sprachanalytischen Philosophie nicht nachsteht, läßt sich sehr schön am Beispiel von Paul Natorp (1854–1924) zeigen, der neben seinem Lehrer, Freund und Förderer Hermann Cohen (1842–1918) Mitbegründer des Marburger Neukantianismus war. Nämlich sowohl auf die Frage, worin die intentionale Gerichtetheit von Bewußtseinszuständen und -erlebnissen besteht, wie auch auf die Frage, was es heißt, sich der eigenen Bewußtseinszustände und -erlebnisse bewußt zu sein, gibt Natorp subtile Antworten, die auch heute noch vertreten werden. Ja, in einer Hinsicht zeigt sich Natorp den ihm nahestehenden zeitgenössischen Philosophen sogar überlegen. Denn aus einer Antwort auf die Frage nach der Intentionalität des Bewußtseins, die ihn u.a. mit Davidson, Dretske und Fodor verbindet, leitet er eine zunächst frappierende Antwort auf die Frage nach dem Selbstbewußtsein ab, eine Antwort, die etwa Davidson, Dretske und Fodor nicht geben würden, die sie aber angesichts ihrer Auffassung von Intentionalität geben sollten: Selbstbewußtsein im eigentlichen Sinne ist unmöglich.