Abstract
Das Problem, unter welchen Bedingungen eine Hypothese oder Theorienmodifikation als methodologisch akzeptabel gilt, wird in der wissenschaftstheoretischen Tradition als die Frage des Ad-Hoc-Charakters von Hypothesen diskutiert. Das gleichartige Problem tritt aber auch in Lakatos' Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme auf, welche von methodologisch zulässigen Theorienänderungen die Vorhersage 'neuer Tatsachen' verlangt. Über diesen Begriff der neuen Tatsache und damit der Adäquatheitsbedingungen für wissenschaftliche Erklärungen hat sich eine weitgefächerte Debatte entsponnen. In diesem Papier wird der Versuch unternommen, die Forderung der unabhängigen Testbarkeit einer Hypothese, welche im Rahmen der Diskussion des Ad-hoc-Charakters von Hypothesen eine wichtige Rolle spielt, auch für die Frage der Spezifizierung von 'neuen Tatsachen' fruchtbar zu machen. Ich argumentiere zugunsten der Bedingung, daß eine Hypothese als methodologisch akzeptabel gelten sollte, wenn sie zumindest zwei unabhängige Tatsachen erklärt. Ein derartiger Ansatz verlangt die Kennzeichnung dessen, was als 'eine Tatsache' zu gelten hat. Die Schwierigkeit einer derartigen Kennzeichnung ist ein notorisches Problem jedes Kriteriums, das auf unabhängige Testbarkeit zielt. Eine Klärung dieses Problems wird über das Konzept der empirischen Generalisierung versucht. Als 'eine Tatsache' im methodologischen Sinne gilt demnach ein gesetzmäßiger Zusammenhang zwischen zwei Meßgrößen. Dies erlaubt weiterführend eine Klärung des Problems, was methodologisch als 'ein Experiment' zu werten ist, d. h. was als Reproduktion desselben und was als andersartiges Experiment gelten soll. Mit Hilfe dieser Klärungen wird unter anderem der Ad-hoc-Charakter der Lorentzschen Kontraktionshypothese sowie das Problem der Gleich- oder Verschiedenartigkeit von Michelson-Morley- und Kennedy-Thorndike-Experiment untersucht.