Abstract
Der Begriff des Erlaubnisgesetzes (lex permissiva) spielt eine wichtige Rolle im Rahmen von Kants Rechtsphilosophie. Der in der Literatur vorherrschenden Meinung zufolge haben Erlaubnisgesetze die Funktion, bestimmte Handlungen zu rechtfertigen, die eigentlich verboten sind: Durch Erlaubnisgesetze würden Verstöße gegen Verbote geduldet. Der Beitrag analysiert Kants normlogischen Ausführungen in „Zum ewigen Frieden“ und entwickelt einen neuen Deutungsvorschlag: Erlaubnisgesetze rechtfertigen keine Norm-Verstöße. In Auseinandersetzung mit Baumgarten und Achenwall konzipiert Kant das Erlaubnisgesetz vielmehr als eine besondere Art von kontextsensitivem Verbotsgesetz, das eine Handlung im Allgemeinen verbietet, unter bestimmten Bedingungen jedoch genuin erlaubt. Im Hinblick auf diese Erlaubnis und die Spezifikation ihrer Bedingungen wird die Norm (das Verbotsgesetz) entsprechend als Erlaubnisgesetz bezeichnet. Die vom Gesetz lizenzierten Handlungen sind dabei nicht bloß geduldet, sondern genuin zulässig.