Inklusivismus als indische Denkform der Toleranz
Abstract
Anand Amaladass, Indologe und Jesuit aus Chennai, setzt sich mit einem Toleranz-Diskurs auseinander, der vor allem von neohinduistischen Denkern und euroamerikanischen Indologen geführt worden ist. Im 19. Jahrhundert hatte der Neohindu Radhakrishnan in seiner Ausgabe der Bhagavadgitā den Abschnitt von Kap. 7,20ff., wo Kṛṣṇa sich als universelle, in allen Kulten gegenwärtige göttliche Macht vorstellt, mit dem Wort Toleranz überschrieben. Der neohinduistische inklusivistische Toleranzbegriff ist, wie Amaladass, bereits eine Reaktion auf die westliche, insbesondere auf Hegel zurückgehende Konzeptionen der Aufhebung des indischen Denkens in einer universalen, im Christentum kulminierenden Religionsgeschichte. Dennoch ist der Versuch, religiöse Toleranz als Inklusivismus zu denken, wie die Debatte zwischen den Indologen Hacker, Halbfass u. a. zeigt, höchst ambivalent; denn auch in der neohindustischen Aufhebung anderer Religionen drohen wie zuvor bei westlichen Denkern sämtliche Differenzen zu verschwinden. Ohne Anerkennung des Anderen bricht allerdings eine wesentliche Voraussetzung eines interreligiösen Dialogs zusammen, so dass Toleranz zur bloßen Duldung herabsinkt.